Buchcover: von Stephan Wackwitz

Stephan Wackwitz (geboren 1952) wuchs in Stuttgart, Iserlohn und Blaubeuren auf. Sein Großvater war Pfarrer und protestantischer Kirchenfunktionär in Polen und in Namibia, sein Vater Historiker und Angestellter des Goethe-Instituts, u.a. in Athen und Paris, seine Mutter freischaffende Modeillustratorin.

1967 erhielt er, nach Ablegung des „Landexamens“, eine Freistelle im „Evangelisch-Theologischen Seminar“ Schöntal/Urach, einer Internatsschule der Württembergischen Landeskirche, die auf das „Tübinger Stift“ vorbereitet.

Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in München und Stuttgart und promovierte 1981 bei Heinz Schlaffer über Hölderlins Elegienwerk. Von 1974 bis 1980 war er Mitglied des MSB Spartakus, der Studentenorganisation der DKP.

Nach dem zweiten Staatsexamen als Gymnasiallehrer unterrichtete er von 1982 bis 1984 als DAAD-Lektor am King’s College in London, wurde 1986 beim Goethe-Institut angestellt und war dort bis zu seiner Pensionierung als Deutschlehrer, Institutsleiter und Referent für Kulturprogramme tätig – in Frankfurt/M., Tokio, München, Krakau, Bratislava, New York, Tbilissi und Minsk. Er lebt in Berlin.

1982 begann er für die „Stuttgarter Zeitung“ als freier Mitarbeiter des Feuilletons für Wolfgang Ignée zu schreiben.

Seit 1985 entwickelten sich, unter dem Einfluss John Bergers und Michael Rutschkys, seine im engeren Sinn literarischen Arbeiten im Genre des „personal essayism“ oder der „creative non-fiction“. Sie wurden zuerst in der „Düsseldorfer Debatte“, in der französischen Ausgabe von „Lettre internationale“, in der amerikanischen „Threepenny Review“ und im Züricher „Alltag“ gedruckt.

1994 debütierte Wackwitz, unter Vermittlung von John Berger, im Züricher Ammann-Verlag mit seinem ersten „book-long personal essay“ über Tokio, parallel kam die Zusammenarbeit mit dem „Merkur“ während der Herausgeberschaft Karl Heinz Bohrers und Kurt Scheels zustande. 1995 erschien sein satirischer Roman „Walkers Gleichung“ bei Steidl. 2002 kam er durch Jörg Bong zum S. Fischer Verlag.

Wackwitz’ essayistische Kombination aus Autobiographie, philosophischer Reflexion, Reisebericht und Familiengeschichte erzielte 2003 mit dem Memoir „Ein unsichtbares Land“ zum ersten Mal allgemeine Aufmerksamkeit des deutschsprachigen Feuilletons. Das Buch kam auch in den USA und in Frankreich heraus und wurde Gegenstand zahlreicher literaturwissenschaftlicher Veröffentlichungen im Umkreis der „memory studies“, u.a. von Aleida Assmann, Daniel Fulda, Julian Reidy und Helmut Schmitz. John M. Coetzee mailte dem amerikanischen Verlag, er habe das Buch „with the greatest admiration“ gelesen, Peter Sloterdijk schrieb in „Zeilen und Tage“ über „Neue Menschen“, das Sequel des „Unsichtbaren Lands“, das Buch rage „aus den vielen Büchern über die 68er Jahre (…) turmhoch hervor.“

stephan wackwitz portraet

Seit Mitte der Nullerjahre sind die Familien-Memoirs ebenso wie die essayistisch-autobiographischen Aufenthaltsberichte Wackwitz’ aus den verschiedenen Ländern und Städten seiner beruflichen Stationen im S. Fischer Verlag erschienen und haben im deutschsprachigen Feuilleton Resonanz gefunden. So 2008 „Osterweiterung. Zwölf Reisen“, 2010 „Fifth Avenue. Spaziergänge durch das letzte Jahrhundert“, 2014 und 2018 „Die vergessene Mitte der Welt. Unterwegs zwischen Tiflis, Baku und Eriwan“ und 2015 „Die Bilder meiner Mutter“, der letzte Band einer Familien-Trilogie als Spiegel politischer, philosophischer und ästhetischer Tendenzen des zwanzigsten Jahrhunderts.

In der „Neuen Rundschau“ des S. Fischer Verlags publizierte Wackwitz zwei grundlegende Aufsätze über Verfahrensweise und Herkunft seines autobiographisch-essayistischen Schreibens: in „Über Unverständlichkeit“ (3/2011) setzt er sich im Anschluss an seine Lektüre Richard Rortys mit den philosophischen Anregungen der deutschen Frühromantik und des „American Pragmatism“ auseinander und in „Gibt es nichtfiktionale Literatur?“ (4/2016) mit der europäischen und amerikanischen Tradition des Essayistischen.

Rezensionen und Aufsätze erschienen über zwei Jahrzehnte regelmäßig im „Merkur“, in der „Neuen Rundschau“, in „Sinn und Form“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der “Süddeutschen Zeitung“ und der „tageszeitung“; Berichte aus Mittel- und Osteuropa wurden 2019 zusammengestellt in einem Band der „edition.fotoTAPETA_Essay“.

Wackwitz erhielt 1996 den Förderpreis zum Heimito von Doderer-Literaturpreis, 2010 den Wilhelm-Müller-Preis des Landes Sachsen-Anhalt, 2012 gemeinsam mit Andrzej Bart den deutsch-polnischen Samuel-Bogumil-Linde-Literaturpreis und 2016 den Wilhelm-Lehmann-Preis.

2024 erscheint „Das Geheimnis der Rückkehr. Sieben Weltreisen“, eine intellektuelle Autobiographie aus drei Jahrzehnten im Ausland, ebenfalls bei S. Fischer. In den letzten Jahren ist die Beschäftigung Wackwitz’ mit seinem seit 1967 geführten Tagebuch in den Vordergrund getreten. Der historische Tagebuch-Blog „Don’t be sadder than necessary“ veröffentlicht auf dieser Webseite fortlaufend historische Durchblicke in seine Aufzeichnungen seit den späten Sechzigern des letzten Jahrhunderts, die auch auf Facebook und X ausgespielt werden.